Ein Ex-Banker der UniCredit sagt die Wahrheit

Im September 2007 trat ich von meiner Position als Risiko-Manager der UniCredit Bank Irland zurück. Ich tat dies, um mich nicht selber strafbar zu machen. Ich habe die letzten 3 Jahre damit verbracht, Gerechtigkeit einzufordern. Am 23. Februar 2010 konnte ich zu meiner Freude erleben, dass Senator David Norris das Thema im irischen Senat aufgriff und von Finanzminister Brian Lenihan eine Antwort einforderte. Senator Norris schloß seine Ausführungen mit den Worten:

"... hier liegt ein klarer Fall ministerieller Verantwortung vor. Es handelt sich um eine sehr ernste Angelegenheit, welche der Finanzaufsichtsbehörde gemeldet worden war. Ein Mann hat in der Folge seinen Job verloren. Er ist ehrenvoll aus seinem Dienstverhältnis geschieden. Der Grad der Verletzung war 40-mal so groß wie die akzeptierte maximale Normabweichung. Das ist eine Katastrophe. Wenn wir nicht bereit sind, dieses nunmehr dem Parlament vorgelegte Problem zu untersuchen, dann gibt es absolut keine Hoffnung mehr für unser Finanzsystem und seinen Ruf auf der ganzen Welt.
Ich habe sehr klar dazu aufgefordert, dass diese Angelegenheit untersucht werden sollte. Wie kann die Finanzaufsichtsbehörde sich selbst überprüfen? Sie hat ihre Aufsichtspflicht verletzt. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist der, dass die Bank verfolgt werden muss und dass die Ehre des Mannes, dessen Ruf in den Schmutz gezogen wurde, wiederhergestellt werden muss. Es ist wohl nicht zu viel, dieses Parlament zu entsprechenden Schritten aufzufordern. Ich möchte, dass damit noch heute Abend begonnen wird."
http://debates.oireachtas.ie/seanad/2010/02/23/00012.asp

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VRT, der Flämische Rundfunk in Belgien, strahlte dieses Interview mit mir am 06. März 2013 aus (ab Minute 27):

ET3, der Griechische Rundfunk, zeigte dieses Interview mit mir am 27. November 2012:

ABC TV (Australien) brachte ein Interview mit mir in einem Dokumentarfilm über UniCredit, UBS und Société Générale im November 2011:
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Wednesday 16 November 2011

Ex-UniCredit-Banker verurteilt exzessive Risikobereitschaft seiner Bank - ABC Australien

Ein ehemaliger leitender Angestellter der grössten Bank Italiens sagt, dass die europäische Schuldenkrise das Ergebnis einer verfaulten Kultur bei den Banken sei, welche übermäßige Risikobereitschaft fördert.

Jonathan Sugarman war der Leiter des Risikomanagements im Dubliner Büro der italienischen UniCredit.

In seinem ersten öffentlichen Interview nach Beendigung seines Dienstverhältnisses mit der Bank erzählt er im Foreign Correspondent Programm der australischen Fernsehanstalt ABC, dass er sich zum Rücktritt gezwungen sah, nachdem sein Chef ihn immer wieder zu offensichtlichen Gesetzesbrüchen aufgefordert hatte.

Das Interview führte die ABC-Europa-Korrespondentin Emma Alberici.

Emma Alberici: Es war im Jahre 2007, als die New York Times Dublin als den wilden Westen der europäischen Finanzwelt bezeichnete.

Bis dahin hatten alle die größten Banken in Europa ihren Sitz in das Irish Financial Services Centre verlegt, das sie mit den niedrigsten Unternehmenssteuern in der englischsprachigen Welt angelockt hatte. Ausländische Banken fanden hier aber noch einen anderen Anreiz - der Standort Dublin stand im Ruf, dass hier auch die Bankenregulierung 'light' sei.

Jonathan Sugarman war zunächst für eine deutsche Bank in Dublin tätig, wurde aber durch eine Agentur für Führungskräfte an die UniCredit vermittelt, um dort das Risikomanagement in deren Dubliner Büro zu übernehmen. Das Geschäftsvolumen der italienischen Bank in Irland belief sich damals auf 50 Milliarden Dollar.





Jonathan Sugarman: Als Bank hatten wir eine Lizenz für das Bankgeschäft, was man sehr gut mit einem Führerschein vergleichen kann: er weist aus, dass man weiß, wie schnell man fahren darf, was im Verkehr erlaubt ist und was die erlaubten Grenzen sind. Mein Job war es, dafür zu sorgen, dass diese Regeln auch immer eingehalten wurden. 


Emma Alberici: Risk Manager sind gesetzlich dazu verpflichtet, Guthaben und Barmittel in Reserve auf der Höhe von 90 Prozent der Verbindlichkeiten der Bank zu halten. Die Regeln sind klar: die Bank konnte schon mal 89 Prozent Liquiditätsdeckung aufweisen, also ein Toleranzprozent, aber bei weiterem Unterschreiten dieses Limits war ein Bericht an die Regulierungsbehörde fällig. 


Innerhalb weniger Monate nach Beginn seiner Tätigkeit allerdings bemerkte Jonathan Sugarman, dass die UniCredit Dublin eine Liquiditätsdeckung von nur 70 Prozent aufwies, also 20 Mal weniger als das erlaubte Limit. Sechs Wochen lang erklärte ihm sein Chef, er solle sich deswegen bloß keine Sorgen machen. Aber er tat es dennoch und reichte schließlich seine Kündigung ein. 


Jonathan Sugarman: Wir brachen laufend das Gesetz und es war mein Name, der auf den täglichen Berichte stand. Unter den Augen des Gesetzes war ich derjenige, der dafür zu sorgen hatte, dass wir innerhalb des vorgeschriebenen Tempolimits fuhren, aber wir waren weit über dieses Limit hinausgefahren. Das Gesetz sah jedoch eine sehr klare Sanktion vor: ich riskierte für den Regelverstoß fünf Jahre Gefängnis und dazu hatte ich einfach keine Lust. 


Emma Alberici: Wie sicher sind Sie, dass UniCredit das Gesetz gebrochen hat, während Sie dort waren? 


Jonathan Sugarman: Ich bin mir hundert Prozent sicher. In Irland sagt man, "to be sure, to be sure". Deshalb habe ich mich an ein IT-Unternehmen in London gewandt. Die zulässige Abweichung lag bekanntlich bei 1 Prozent, aber eines Abends riefen sie mich an, kurz nachdem sie sich in unsere Systeme eingeloggt hatten, und erklärten mir, dass wir tief im roten Bereich seien, nämlich 40 Prozent unter dem erlaubten Limit. 


Emma Alberici: Vierzig oder vierzehn? 


Jonathan Sugarman: Vierzig - vier, null. 


Emma Alberici: Zwölf Monate, nachdem Jonathan Sugarman der Regulierungsbehörde mitgeteilt hatte, dass seine Bank in Dublin knapp bei Kasse war, lag dann das gesamte irische Bankensystem auf den Knien und bettelte nach einem Rettungspaket. Fünf Banken verlangten 50 Milliarden Euros, nur um ihre Tore offenhalten zu können. 


Im vergangenen Jahr brachte daraufhin der irische Abgeordnete David Norris die UniCredit-Materie im Parlament zur Sprache. 


David Norris: Hier handelt es sich um eine sehr ernste Angelegenheit, die der Finanzaufsicht gemeldet worden war. In der Folge hat ein Mann seinen Job verloren, da er kündigte, um seine Ehre zu bewahren. Die Liquiditätsverletzung lag beim 40-Fachen der erlaubten Marge. Das ist wirklich ein Desaster. 


Emma Alberici: Auch nach dieser Intervention wurde die Bankaufsichtsbehörde nicht tätig. In einem Brief an unsere Fernsehanstalt erklärte die irische Zentralbank erst vor kurzem, dass immer noch die Vorwürfe untersucht würden, die ihnen von Jonathan Sugarman vor vier Jahren zur Kenntnis gebracht worden waren. 


Jonathan Sugarman: Ich verließ die Bankräumlichkeiten, ging hinüber zur Bankaufsichtsbehörde einrichten, ich wollte die Meldung selber abliefern und es nicht irgendjemandem Dritten überlassen, aber danach ist nichts passiert. Das war so, als ob man zum Polizeikommissariat mit einem Messer voller Blut geht und sagt: Ich habe gerade jemanden getötet; man erwarten dann, dass die Polizei fragt, wo die Leiche liegt. Wo ist das Opfer? Warum haben Sie das getan? Aber hier hieß es locker, na ja, ihr solltet das aber nicht noch einmal machen. Das hat mich völlig verblüfft. 


Emma Alberici: UniCredit berichtet ein Rekordergebnis im dritten Quartal dieses Jahres: ein Verlust über Nacht von 15 Milliarden Dollar. 


Die Schuldenprobleme der italienischen Regierung lasten somit schwer auf der größten Bank des Landes. 
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Going Rogue

Ausgestrahlt: 15/11/2011


Reporter Emma Alberici


Barings Bank hatte alle Schwierigkeiten seit mehr als zwei Jahrhunderten überlent. Die industrielle Revolution, Weltkriege, selbst die Große Depression. Dann kam ein forscher Bursche von etwas über 20 Jahren namens Nick Leeson und brachte das ganze ehrwürdige britische Finanzinstitut, das immer wie ein Fels in der Brandung gestanden war, zum Einsturz.

"Ich hatte keine Ahnung, dass die Bank zusammenbrechen würde. Ich wusste nicht einmal, was die Kapitalbasis der Bank war. Ich war nicht wirklich daran interessiert, denn solange das Geld immer wieder hereinkam, wusste ich, dass meine Transaktionen phantastische Erfolge zeitigte. Ich habe aber nicht abgesehen, dass die Folge eine solche Katastrophe sein könnte." Nick Leeson, Rogue Trader (Schurken-Händler)


Beim Handel mit Futures in Singapur verlor Leeson mehr als eine Milliarde Dollar. Barings musste seine Tore schließen und Leeson ging ins Gefängnis. Gibt es jetzt, etliche Jahren später, wo super-ausgeklügelte Systeme die Händler und jedes ihrer Geschäfte überwachen, noch Chancen, dass so etwas wieder geschieht? Wenn man Nick Leeson in den letzten Jahren befragt hätte, so hätte er wohl gesagt, "Die Chancen sind äußerst gering."


Und dennoch schlitterte Europa erst vor ein paar Monaten in eine finanzielle Krise, die es in den Grundfesten erschütterte und auch den Rest der Welt erzittern lässt. Dabei wurde ein weiterer Rogue Trader geschnappt. Kweku Adoboli - ein Händler in der riesigen Schweizer Bank UBS - wurde verhaftet und beschuldigt, 2,3 Milliarden Dollar in den Sand gesetzt zu haben.


Wie konnte so etwas passieren?


Die ABC-Europa-Korrespondentin Emma Alberici hat in ihrem Report eine Starbesetzung von berühmten und berüchtigten Finanzleuten bemüht, um herauszufinden, on diese Rogue Traders (Schurken-Händler) nun tatsächlich rücksichtslose Einzelgänger sind oder aber einfach Menschen, die durch einen rücksichtslosen und undisziplinierten Finanzsektor ins Extrem getrieben werden. Welche Erkenntnisse können wir aus ihrem Verhalten ziehen in Bezug auf das Wall Street Investment Banking und die globale Finanzkrise, auf die Bankenzusammenbrüche und Staatspleite in Irland, in Island und anderswo?


Emma Alberici interviewt auch einen ehemaligen Insider [Jonathan Sugarman, Ex-Risk Manager, UniCredit Dublin], der hier - zum ersten Mal in der Öffentlichkeit - ganz klar ausspricht, dass es in einigen der größten Banken Europas große kriminelle Aktivität gibt und der davon spricht, dass die Bankaufsichtsbehörden schlicht und einfach "am Steuer eingeschlafen" seien.


Wir hören aber auch von einem Händler, der mittlerweile zum Neurospezialisten geworden ist und mit seinen Forschungen belegt, dass Testosteron ein wichtiger Motivator für extreme finanzielle Spielchen darstellt und dass der Hormonspiegel schon mal kann einige Millionen Dollar Auf und Ab bei Jahresgehältern und Boni der Bankmanager zur Folge haben kann.
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http://www.abc.net.au/foreign/content/2011/s3367080.htm